Der 11. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm hatte sich in seinem Urteil vom 30.10.2020 (Az. 11 U 34/20) mit der Frage zu befassen, wann eine Stadt dafür haften muss, wenn ein Straßenbaum umstürzt und hierdurch ein Fahrzeug beschädigt wird.
Der klagende Eigentümer eines Porsche 911 Carrera Cabriolet aus Essen befuhr an einem Vormittag im Juni 2016 die Kupferdreher Straße in Essen. An diesem Tag stürzte ein hangabwärts befindlicher Stämmling einer mehrstämmigen, ca. 16 m hohen Esche quer über die Kupferdreher Straße, nachdem bereits einige Zeit zuvor ein hangaufwärts – der Straße abgewandt – stehender Stämmling dieser Esche abgebrochen war. Baumkontrolleure der beklagten Stadt hatten im August 2015 und im April 2016 jeweils nach einer Sichtprüfung festgestellt, dass der Baum morsch war und Pilzbefall hatte. Die Esche sollte deshalb spätestens Ende Januar 2017 gefällt werden.
Der Kläger wirft der beklagten Stadt vor, nicht die erforderlichen Maßnahmen getroffen zu haben, um Gefahren durch einen Abbruch des Stämmlings zu vermeiden. Deshalb habe dieser Stämmling auf seinen Porsche stürzen und diesen beschädigen können. Die beklagte Stadt sei ihm gegenüber daher zur Zahlung von Schadensersatz von mehr als 50.000 Euro – im Wesentlichen handelt es sich hierbei um Reparaturkosten und die Entschädigung für einen Nutzungsausfall – verpflichtet.
Das Landgericht Essen hat mit Urteil vom 09.01.2020 (Az. 4 O 297/16) dem Kläger Schadensersatz von gut 47.500 Euro zugesprochen. Nach der Vernehmung von Zeugen und der Anhörung von Sachverständigen konnte das Landgericht insbesondere davon ausgehen, dass der Stämmling der Esche auf den Porsche des Klägers gefallen war und die durch die Baumkontrolleure der beklagten Stadt erfolgten Sichtprüfungen nicht ausreichend waren.
Die Berufung der beklagten Stadt war nur zum Teil erfolgreich. Zur Abwehr der von Straßenbäumen ausgehenden Gefahren müssten – wie der Senat in seinem Urteil ausführt – diejenigen Maßnahmen getroffen werden, die einerseits zum Schutz gegen Astbruch und Umsturz erforderlich seien, andererseits unter Berücksichtigung des umfangreichen Baumbestands der Städte und Gemeinden diesen auch zumutbar seien. Schon aus ökologischen Gründen sei eine vorsorgliche Entfernung sämtlicher Bäume aus der Nähe von Straßen und Gehwegen nicht zu rechtfertigen. Gewisse Gefahren, die nicht durch menschliches Handeln entstünden, sondern auf Gegebenheiten oder Gewalten der Natur beruhten, müssten als unvermeidbar hingenommen werden. Dennoch dürften Anzeichen nicht übersehen werden, die nach der Erfahrung auf eine weitere Gefahr durch den Baum hinweisen würden.
Vor diesem Hintergrund seien die bloßen Sichtkontrollen durch die Baumkontrolleure der beklagten Stadt unzureichend gewesen. Bei den von ihnen festgestellten Defektsymptomen und Krankheitsanzeichen des Baumes – nämlich Schrägstand, Pilzbefall und Morschung – wären weitergehende Untersuchungen unter Zuhilfenahme eines Sondierstabs erforderlich gewesen. Hierdurch hätte die Ursache für das Abbrechen beider Stämmlinge, nämlich eine fortgeschrittene Fäulnisbildung, festgestellt werden müssen, woraufhin die unverzügliche Fällung des Baumes innerhalb der nächsten 14 Tage hätte angeordnet werden müssen. Dann wäre es nicht mehr dazu gekommen, dass der Stämmling auf den Porsche hätte stürzen können. Dem Kläger stünde allerdings der Höhe nach nur ein Anspruch auf Schadensersatz von gut 38.000 Euro zu, weil der vom Landgericht zugesprochene Schadensbetrag wegen der von seinem – zum Schadenszeitpunkt im Betrieb befindlichen – Fahrzeug ausgehenden Betriebsgefahr um 20 % zu mindern sei.
Rechtskräftiges Urteil des 11. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 30.10.2020 (Az. 11 U 34/20, OLG Hamm)
Quelle: Presseservice des Ministeriums der Justiz des Landes Nordrhein-Westfalen