Der 9. Senat des Bundessozialgerichts hat am 12. September 2019 entschieden, dass die von einem Atomwaffentestgelände in Kasachstan ausgehende Strahlung für die in der Nähe in politischem Gewahrsam lebenden deutschen Volkszugehörigen Versorgungsansprüche wegen strahlenbedingter Gesundheitsschäden auslösen kann (Aktenzeichen B 9 V 2/18 R).
Die 1955 geborene Klägerin ist 1979 als Spätaussiedlerin aus der ehemaligen Sowjetunion in die Bundesrepublik Deutschland eingereist. Die Zeit in der Sowjetunion ist als Zeit des politischen Gewahrsams anerkannt. Die Eltern der Klägerin siedelten 1944 als deutsche Volkszugehörige in das damalige Deutsche Reich über und erhielten die deutsche Staatsbürgerschaft. Ende 1945 wurden sie von dort nach Sibirien verschleppt und bis 1956 unter Kommandanturaufsicht gestellt. Nach deren Ende zog die Familie zu Verwandten in das Gebiet von Semipalatinsk/Kasachstan. Dort befand sich das Atomwaffentestgelände der Sowjetunion, wo von 1949 bis 1991 nukleare Bombentests durchgeführt wurden.
Die Klägerin beantragte nach ihrer Übersiedlung in die Bundesrepublik Beschädigtenversorgung wegen zahlreicher körperlicher und seelischer Leiden, die sie auf die Umstände ihres Gewahrsams und dabei vor allem auf die Atombombenversuche in Semipalatinsk zurückführte. Der Beklagte hat eine Schilddrüsenerkrankung infolge vermehrter Strahlenbelastung als Schädigungsfolge anerkannt. Die weitergehende Klage war in den Vorinstanzen erfolglos.
Der 9. Senat hat die Revision der Klägerin zurückgewiesen. Die Klägerin gehört zwar als deutsche Volkszugehörige zum geschützten Personenkreis nach dem Häftlingshilfegesetz. Die Strahlenkontamination durch die im sowjetischen Atomwaffentestgelände Semipalatinsk durchgeführten Atomwaffenversuche stellt grundsätzlich auch ein mit dem politischen Gewahrsam wesentlich zusammenhängendes schädigendes Ereignis dar. Die geltend gemachten (weiteren) Strahlenschäden sind nach den bindenden Feststellungen der Vorinstanz jedoch nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit nachgewiesen.
Quelle: Bundessozialgericht