Schadensersatzansprüche wegen Herausgabe von Lichtbildern für die Öffentlichkeitsfahndung

4. August 2020

Wenn andere Ermittlungsansätze keinen Erfolg versprechen, können die Strafverfolgungsbehörden in bestimmten Fällen zur sogenannten Öffentlichkeitsfahndung greifen. Dann werden Bilder des mutmaßlichen Täters veröffentlicht, um Hinweise auf seine Identität zu erlangen. Doch natürlich kann es vorkommen, dass am Ende die Person auf den Bildern nicht der wahre Täter ist.

Über einen solchen Fall hatte nun die 4. Zivilkammer des Landgerichts Osnabrück in einer besonderen Konstellation zu entscheiden (Urteil vom 07. Juli 2020 – Az. 4 O 3406/19).

In dem Verfahren verlangte ein Mann aus Lingen Schmerzensgeld und weiteren Schadensersatz von einer Bank. Den Schmerzensgeldbetrag bezifferte er auf mindestens EUR 500.000,00. Der Hintergrund: Der Mann hatte im Sommer 2017 eine Filiale der Bank in seinem Heimatort aufgesucht und dort mit einer Angestellten gesprochen. Am selben Tag kam es zu einer versuchten Straftat in der Filiale, als ein anderer Mann mit gefälschten Papieren ein Konto eröffnen wollte. Nachdem die Bank diesen Vorfall zur Anzeige gebracht hatte, ließ die Polizei sich die Aufnahmen einer Überwachungskamera im Vorraum der Bank für den relevanten Zeitraum aushändigen.

Diese Aufnahmen wertet die Polizei aus. Aus ungeklärten Gründen gelangte sie dabei zu der Überzeugung, der Kläger komme als Täter infrage. Möglicherweise hatte die Polizei irrig angenommen, er habe im fraglichen Zeitraum als einziger Kunde die Filiale betreten. Tatsächlich hätte eine Rückfrage bei der Bank ergeben, dass der Kläger nicht der mutmaßliche Straftäter, sondern ein regulärer Bankkunde war.

Die Polizei hielt jedoch keine weitere Rücksprache mit der Bank. Stattdessen veröffentlichte sie in einer örtlichen Tageszeitung auf Grundlage eines entsprechenden gerichtlichen Beschlusses Bilder des Klägers, die die Überwachungskamera der Bank aufgenommen hatte. Dazu bat die Polizei die Bevölkerung um Hinweise, wer der Mann sei. Der Kläger nahm daraufhin sofort Kontakt zur Polizei auf und versuchte, die Dinge richtig zu stellen. Nachdem daraufhin auch die Bank bestätigt hatte, dass der Kläger als regulärer Kunde in der Bank gewesen war, wurde der Fahndungsaufruf nach etwa 24 Stunden zurückgezogen.

Dem Kläger genügte dies jedoch nicht. Er machte geltend, der gesamte Vorfall habe ihn erheblich beeinträchtigt, weshalb ihm ein Schmerzensgeld zustehe. Er nahm mit der von ihm deswegen vor dem Landgericht Osnabrück erhobenen Klage jedoch nicht die Polizei in Anspruch, sondern die Bank. Das begründete er damit, es sei Sache der Bank gewesen, die Videobilder vor Herausgabe an die Polizei zu sichten. So hätte die Bank die regulären Kunden kennzeichnen und von vorneherein vor einer falschen Verdächtigung schützen können. Dies sah die Bank anders. Aufgrund der behördlichen Anordnung habe sie das Videomaterial umgehend und vollständig herausgeben müssen. Die Sichtung sei nicht ihre Aufgabe, sondern die der Polizei gewesen.

Das Landgericht Osnabrück gab nun der Bank recht. Die Ermittlung des Sachverhaltes bei Verdacht auf eine Straftat sei Sache der Strafverfolgungsbehörden, nicht des Anzeigeerstatters. Die Bank habe auch nicht damit rechnen müssen, dass die Polizei bei insgesamt zwölf auf den Videobildern zu sehenden Personen ohne weitere Rücksprache den Kläger als Verdächtigen identifizieren und nach ihm fahnden werde. Die Verhinderung eines solchen Ablaufs sei nicht Aufgabe der Bank gewesen.

Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Es kann mit der Berufung zum Oberlandesgericht Oldenburg angegriffen werden.

Quelle: Landgericht Osnabrück


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