Berlin (DAV). Enthält ein anonymes Schreiben an eine Behörde falsche Tatsachen und beleidigt jemanden, muss dem Betroffenen die vollständige Einsicht gewährt werden. Die Unterschrift darf nicht geschwärzt werden. In einem solchen Fall tritt der Schutz des Behördeninformanten hinter dem Informationsinteresse des Betroffenen zurück.
Dieser muss die Möglichkeit erhalten, gegebenenfalls strafrechtlich gegen den Informanten vorzugehen. Das Rechtsportal „anwaltauskunft.de“ weist auf eine Entscheidung des Sozialgerichts Berlin vom 8. September 2021 (AZ: S 103 AS 4461/20) hin.
Beim Berliner Jobcenter ging ein am Computer gefertigtes Schreiben eines unbekannten Informanten ein. Unter der Überschrift „Sozialbetrug!“ behauptete der Absender, dass der Vater der Klägerin vor einiger Zeit gestorben sei. Die Klägerin fahre jetzt ein fast neues Auto aus der Erbmasse, obwohl sie Sozialhilfe bzw. „Hartz IV“ beziehe. Mit dem Auto würde sie zu ihrer Schwarzarbeit bei diversen Putzstellen fahren. Auch ein Häuschen müsse der Vater hinterlassen haben.
Es sei nicht mehr nachvollziehbar, wie diese Frau als „Sozialschmarotzerin“ alles vom Staat bezahlt bekomme. Das Schreiben enthielt keinen Absender. Es war unterzeichnet mit „X Y“ und einer nicht lesbaren handgeschriebenen Unterschrift. Bei einer Überprüfung stellte sich heraus, dass der Vater der Klägerin zwar tatsächlich gestorben war, sie jedoch nichts geerbt hatte. Ein Auto des Vaters hatte sie schon zu dessen Lebzeiten nutzen dürfen.
Der Klägerin wurde Einsicht in die Verwaltungsakte gewährt. Die Unterschrift unter dem Anzeigeschreiben war jedoch geschwärzt. Die Klägerin wollte aber gegen den „Informanten“ rechtlich vorgehen und verlangte eine ungeschwärzte Akteneinsicht. Das wies das Jobcenter ab. Die Interessen des Informanten an seiner Geheimhaltung würden überwiegen. So werde sichergestellt, dass vertrauliche Informationen an die Verwaltung gegeben werden könnten, ohne dass ein Informant die Offenlegung seiner Identität befürchten müsse.
Die Klage der Frau war erfolgreich. Das Jobcenter wurde zur Vorlage des ungeschwärzten Schreibens verurteilt.
Das Jobcenter sei zwar nicht verpflichtet, Akteneinsicht zu gewähren, wenn Vorgänge wegen der berechtigten Interessen von Personen geheim gehalten werden müssen. Dies gelte auch für Behördeninformanten. Das Interesse des Betroffenen an der Identität eines Informanten überwiege dessen Geheimhaltungsinteresse jedoch dann, wenn anzunehmen sei, dass der Informant wider besseres Wissen und absichtlich rufschädigend gehandelt hat oder leichtfertig falsche Informationen übermittelt hat.
Das sah das Gericht hier als gegeben.
Das Schreiben enthalte zwar einige Informationen, die objektiv gesehen für die Leistungsverwaltung von Bedeutung seien. Überwiegend stehe jedoch nicht die sachliche Information im Vordergrund, sondern würden falsche und nicht erweisliche Tatsachen und Pöbeleien verbreitet. Die Bezeichnung der Klägerin als Sozialschmarotzerin sei beleidigend. Die Unterstellung, sie arbeite schwarz, sei rufschädigend. Dem Informanten sei es insoweit nicht mehr um die sachdienliche Benachrichtigung der zuständigen Behörde gegangen, sondern um die Verächtlichmachung der Klägerin. Seine Angaben könnten daher nur als leichtfertige Behauptungen gewertet werden, die in der Absicht gemacht worden seien, die Klägerin zu schädigen.
Quelle und Informationen: www.anwaltauskunft.de