Der Kläger war seit dem 01.09.2002 als Messwärter bei der Beklagten tätig. Er war einem schwerbehinderten Menschen gleichgestellt. Mit In-Kraft-Treten des § 28b Abs. 1 Infektionsschutzgesetz (IfSG) in der Fassung ab dem 24.11.2021 forderte die Beklagte alle ihre Beschäftigten auf, im Rahmen der „3G-Regelung“ vor Dienstantritt einen vollständigen Impf-, Genesenen- oder Testnachweis vorzulegen.
Am 24.11.2021 und 25.11.2021 zeigte der Kläger der Personalabteilung jeweils einen negativen Corona-Test vor. Am 26.11.2021 legte er einen Impfausweis vor. Ausweislich dessen war er am 05.07.2021 mit der Impfcharge COMIRNATY Ch.-B.: EX9661 und am 16.08.2021 mit der Impfcharge COMIRNATY Ch.-B.: EX9117 geimpft worden. Beide Impftermine waren mit folgendem Stempel versehen: „Impfzentrum Duisburg Im auftrag des Landes NRW“ und trugen dieselbe Unterschrift. Am 29.12.2021 kündigte die Beklagte nach Beteiligung des Betriebsrats und der Schwerbehindertenvertretung sowie nach eingeholter Zustimmung des Inklusionsamts das Arbeitsverhältnis des Klägers fristlos und hilfsweise fristgerecht. Sie hat behauptet, der Impfausweis sei gefälscht. Dem hat der Kläger widersprochen.
Die Kündigungsschutzklage blieb vor dem Arbeitsgericht ohne Erfolg. Die 11. Kammer des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf hat hierzu heute in einer umfangreichen Beweisaufnahme u.a. eine Kriminalhauptkommissarin, den damaligen ärztlichen Leiter des Test- und Impfzentrums Duisburg, die Amtsapothekerin der Stadt Duisburg sowie einen vom Kläger benannten Zeugen vernommen. Im Rahmen der streitigen Verhandlung zum Ergebnis der Beweisaufnahme hat die Kammer dem Kläger das vorläufige Beweisergebnis mitgeteilt. Danach sei die Beweislage zu seinen Lasten erdrückend. So sei dreifach abgesichert, dass es die auf seinem Impfpass verzeichneten Chargennummern nicht gegeben habe. Dies hat zunächst die Kriminalhauptkommissarin aufgrund einer Abfrage über den sog. „Chargenchecker“ bei dem Paul-Ehrlich-Institut bekundet.
Der Leiter des Impf- und Testzentrums Duisburg konnte eine Liste des zentralen Apothekenkühlschranks der Stadt Duisburg vorlegen, auf der mit Datum versehen sämtliche verimpften Chargen verzeichnet waren. Am 05.07.2021 und am 16.08.2021 waren die im Impfpass des Klägers verzeichneten Chargen nicht verimpft worden. Die Amtsapothekerin der Stadt Duisburg konnte bekunden, dass eine Herstellerabfrage bei Biontech ergeben habe, dass diese Chargen nicht existierten. Die Zeuginnen und der Zeuge haben außerdem bekundet, dass aufgrund des Rechtschreibfehlers („Im auftrag“) im verwandten Stempel sowie aufgrund von dessen Qualität, Design und Größe von einer nicht im Impfzentrum Duisburg verwandten Fälschung auszugehen sei.
Der Leiter des Impf- und Testzentrums Duisburg hat außerdem ausgesagt, dass im hier relevanten Zeitraum – anders als vom Kläger behauptet – grundsätzlich keine Impfungen ohne Termin erfolgten. Soweit der vom Kläger benannte Zeuge bekundet hatte, dass er mit diesem am 16.08.2021 zum Impfzentrum gefahren sei, konnte er nur bekunden, dass er auf dem Parkplatz gewartet und nicht einmal gesehen hatte, ob der Kläger in das Impfzentrum gegangen war. Selbst wenn man insoweit nicht abschließend von einer Falschaussage ausgehe, ändere dies an der erdrückenden Beweislage nichts.
Die Vorlage eines gefälschten Impfausweises in der Absicht die Nachweispflicht des § 28b Abs. 1 IfSG zu umgehen, stellt eine Verletzung einer arbeitsvertraglichen Nebenpflicht dar. Die Verletzung wiegt so schwer, dass sie geeignet ist, eine fristlose Kündigung zu rechtfertigen. Die Vorlage eines gefälschten Impfausweises zeugte von einem hohen Maß krimineller Energie, so dass das Vertrauensverhältnis zum Arbeitgeber nachhaltig gestört war. Der Gebrauch eines unrichtigen Gesundheitszeugnisses ist zudem eine Straftat (§ 279 StGB). Wegen der Schwere des Verstoßes kam es weder auf eine Wiederholungsgefahr noch auf den langjährigen störungsfreien Bestand des Arbeitsverhältnisses an.
Der Kläger hat im Anschluss an das Rechtsgespräch und die Hinweise der Kammer seine Berufung zurückgenommen.
– Landesarbeitsgericht Düsseldorf – 11 Sa 433/22
– Arbeitsgericht Duisburg, Urteil vom 23.05.2022 – 1 Ca 48/22
„Bürgerliches Gesetzbuch
§ 626 Fristlose Kündigung aus wichtigem Grund
(1) Das Dienstverhältnis kann von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Dienstverhältnisses nicht zugemutet werden kann.
…“
Gesetz zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten beim Menschen
Infektionsschutzgesetz i.d.F. ab dem 24.11.2021 bis zum 11.12.2021
§ 28b Bundesweit einheitliche Schutzmaßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung der Coronavirus-Krankheit-2019 (COVID-19), Verordnungsermächtigung
(1) Arbeitgeber und Beschäftigte dürfen Arbeitsstätten, in denen physische Kontakte von Arbeitgebern und Beschäftigten untereinander oder zu Dritten nicht ausgeschlossen werden können, nur betreten und Arbeitgeber dürfen Transporte von mehreren Beschäftigten zur Arbeitsstätte oder von der Arbeitsstätte nur durchführen, wenn sie geimpfte Personen, genesene Personen oder getestete Personen im Sinne des § 2 Nummer 2, Nummer 4 oder Nummer 6 der COVID-19-Schutzmaßnahmen-Ausnahmenverordnung vom 8. Mai 2021 (BAnz AT 08.05.2021 V1) sind und einen Impfnachweis, einen Genesenennachweis oder einen Testnachweis im Sinne des § 2 Nummer 3, Nummer 5 oder Nummer 7 der COVID-19-Schutzmaßnahmen-Ausnahmenverordnung vom 8. Mai 2021 (BAnz AT 08.05.2021 V1) mit sich führen, zur Kontrolle verfügbar halten oder bei dem Arbeitgeber hinterlegt haben. Sofern die dem Testnachweis zugrunde liegende Testung mittels Nukleinsäurenachweis (PCR, PoC-PCR oder weitere Methoden der Nukleinsäureamplifikationstechnik) erfolgt ist, darf diese abweichend von § 2 Nummer 7 der COVID-19-Schutzmaßnahmen-Ausnahmenverordnung vom 8. Mai 2021 (BAnz AT 08.05.2021 V1) maximal 48 Stunden zurückliegen. …“
Strafgesetzbuch
§ 279 Gebrauch unrichtiger Gesundheitszeugnisse
Wer zur Täuschung im Rechtsverkehr von einem Gesundheitszeugnis der in den §§ 277 und 278 bezeichneten Art Gebrauch macht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft, wenn die Tat nicht in anderen Vorschriften dieses Abschnitts mit schwererer Strafe bedroht ist.
Quelle: Presseservice des Ministeriums der Justiz des Landes Nordrhein-Westfalen