LSG Bayern, Beschluss vom 6. August 2019 (L 16 AS 450/19.B.ER). Auch bei pflegebedürftigen Personen ist von einem Bestehen einer Erwerbsfähigkeit im Sinne des § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB II in Verbindung mit § 8 Abs. 1 SGB II auszugehen, weil gemäß § 44a Abs. 1 Satz 7 SGB II die Erwerbsfähigkeit von Antragstellern als Voraussetzung für einen nach dem SGB II geltend gemachten Leistungsanspruch unterstellt wird, solange im Verhältnis zum Sozialhilfeträger eine entsprechende Klärung nicht erfolgt ist.
Der aus § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 b) SGB II hervorgehende Ausschlusstatbestand, ein Aufenthaltsrecht nur zur Arbeitsuche, liegt nicht vor, wenn z. B. eine Antragstellerin ein abgeleitetes Aufenthaltsrecht als Familienangehörige gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 6 FreizügG/EU in Verbindung mit § 3 Abs. 1 Satz 1 / Abs. 2 Nr. 2 FreizügG/EU geltend machen kann.
Bei einem (Familien-) Nachzug ist auf den Fortbestand des Freizügigkeitsrechts der aufnehmenden Person gemäß § 2 Abs. 3 FreizügG/EU nicht abzustellen.
Dieses Aufenthaltsrecht bleibt entsprechend § 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FreizügG/EU während des Bezugs von Arbeitslosengeld I bzw. II der aufnehmenden Person einstweilen weiterhin aufrecht erhalten. Eine Gewährung von Unterhalt entsprechend § 3 Abs. 2 Nr. 2 FreizügG/EU liegt vor, wenn ein freizügigkeitsberechtigter Unionsbürger einem hier lebenden Verwandten tatsächlich Leistungen zukommen lässt, die von Ansatz her als Mittel zur Bestreitung des notwendigen Lebensunterhalts aufgefasst werden können.
Dies liegt vor, wenn ein Sohn seiner Mutter nach ihrer Einreise in das Bundesgebiet eine kostenfreie Unterkunft zur Verfügung stellt, indem er ihr in der von ihm und seinem Untermieter bewohnten Wohnung ein Zimmer kostenfrei überlässt, über Jahre hinweg die Beiträge für eine freiwillige Kranken- und Pflegeversicherung sowie sämtliche weiteren, z. B. für Lebensmittel und Getränke, Medikamente und Hygieneartikel entstehenden Kosten übernahm und im Zusammenwirken mit einem Pflegedienst die ambulante Pflege sicherstellte.
Die Bejahung des maßgeblichen Aspekts, ob jemand einer anderen Person tatsächlich Unterhalt gewährt, hängt nicht davon ab, wie er sich die für die Unterhaltsleistung erforderlichen Mittel beschafft hat. Es ist hier unerheblich, ob die aufnehmende Person die in diesem Rahmen benötigten Gelder durch die Ausübung einer Erwerbstätigkeit oder auf eine andere Weise erlangt.
LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 17. Oktober 2019 (L 15 SO 142/14)
Der Begriff der Angemessenheit im Sinne des § 35 Abs. 2 Satz 1 SGB XII ist ebenfalls durch die Kriterien der §§ 22 a bis c SGB II zu konkretisieren. § 35a SGB XII („Satzung“) liegt das Motiv zugrunde, dass eine nach den §§ 22a bis c SGB II erlassene Satzung den Sozialhilfeträger nur binden soll, wenn diese Verwaltungsvorschriften besondere Regelungen für die vom SGB XII hauptsächlich erfassten Kreise an leistungsberechtigten Personen mit umfassen.
An dieser Stelle hat ein besonderer, abweichender Wohnraumbedarf dieser Klientel berücksichtigt zu werden.
Als typische, besondere Bedarfe älterer Menschen sind solche aufzufassen, die sich aus langer Wohndauer und/oder dem anerkennenswerten Bedürfnis ergeben, in vorgerückter Lebensphase weiterhin in einem vertrauten bzw. familiennahen Umfeld wohnen bleiben zu können.
Das Erwerbsleben älterer Menschen stellt sich als grundsätzlich abgeschlossen dar. Dies gilt auch für die meisten Möglichkeiten, aus Erwerbseinkommen noch Rücklagen für spätere Lebensabschnitte zu bilden.
Wohnungswechsel erfolgen hier meistens nur noch aus zwingenden persönlichen Gründen wie Krankheit und Pflegebedürftigkeit oder der Suche nach einer Wohnortnähe zu nahen Angehörigen.
Leistungen der Sozialhilfe dürfen nicht dem Zweck dienen, einen vor der Angewiesenheit auf öffentliche Leistungen erworbenen Lebensstandard weiterhin zu sichern.
Es steht hier aber dem Gesetzgeber frei, das Sicherungsniveau der Sozialhilfe vorbehaltlich verfassungsrechtlicher Mindestgrenzen näher zu konkretisieren, was über § 35a SGB XII in Sachen der Berücksichtigung besonderer Wohnbedarfe älterer Menschen geschehen ist.
LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 25. September 2019 (L 7 AY 3535/18)
Der Berücksichtigung als Vermögen eines Asylbewerbers im Sinne des § 7 Abs. 1 Satz 1 AsylbLG steht nicht entgegen, dass diese Person möglicherweise einem Darlehensrückzahlungsanspruch ausgesetzt ist. Anderes hat nur dann Gültigkeit, wenn das konkret dem Asylbewerber als Darlehen ausgehändigte Geld von ihm wieder zurückgereicht werden müsste.
Der Darlehensrückzahlungsanspruch bezieht sich lediglich auf die Summe des Geldes, nicht dagegen auf die Rückgabe konkret ausgehändigter Geldscheine. „Zu gewährende Leistungen“ im Sinne des § 7a Satz 1 AsylbLG stellen nur diejenigen Leistungen dar, die die für den Vollzug des AsylbLG zuständige Behörde zur Erfüllung von Rechtsansprüchen der Leistungsberechtigten regelmäßig zu leisten hat.
Der Anwendungsbereich des § 7a Satz 1 AsylbLG ist deshalb im Regelfall erheblich eingeschränkt und erstreckt sich im Wesentlichen auf die Fälle des § 7 Abs. 1 Satz 3 AsylbLG, in denen Leistungsberechtigte – trotz vorhandenen Vermögens – in einer Einrichtung (insbesondere in einer Gemeinschaftsunterkunft) Sachleistungen beziehen und deshalb dem öffentlichen Träger gegenüber zur Kostenerstattung verpflichtet sind. Für alle anderen Leistungen scheidet eine Sicherheitsleistung nach § 7a Satz 1 AsylbLG im Regelfall aus.
§ 7a Satz 1 AsylbLG ermächtigt nicht zur Einbehaltung von Vermögen zum Zwecke der generellen Herstellung des Nachrangs von Leistungen nach dem AsylbLG oder zur Sicherung jedwelcher Erstattungsansprüche. Vermögen i. S. d. § 7 Abs. 1 Satz 1 AsylbLG ist dann „verfügbar“, wenn es ohne tatsächliche oder rechtliche Hindernisse zur Bestreitung des aktuellen notwendigen Lebensunterhalts eingesetzt werden kann, d. h. es sich hier (entsprechend § 82 Abs. 1 Satz 1 SGB XII) um sog. bereite Mittel handelt. Hiervon ist bei behördlicherseits eingezogenen Geldbeträgen nicht auszugehen.
LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 19. November 2019 (L 8 AY 26/19.B.ER)
Für die Anwendbarkeit des § 1a Abs. 4 Satz 2 AsylbLG hat zweifelsfrei geklärt zu sein, dass der Antragstellern durch Griechenland ursprünglich gewährte internationale Schutz auch noch weiterhin besteht. Die Beweislast trägt hier die öffentliche Hand.
Der Leistungsanspruch einer minderjährigen Antragstellerin bemisst sich im Fall der Rechtswidrigkeit einer Anspruchseinschränkung entsprechend § 1a AsylbLG nach § 2 Abs. 1 AsylbLG, weil sie sich als Kind im Haushalt ihrer Leistungen gemäß § 2 Abs. 1 AsylbLG beziehenden Mutter für einen Bezug dieser Analog-Leistungen nicht 15 bzw. 18 Monate ohne wesentliche Unterbrechung in Deutschland aufhalten muss. Dies ist aus § 2 Abs. 3 AsylbLG ableitbar.
Sozialgericht Osnabrück, Beschluss vom 7. November 2019 (S 44 AY 59/19.ER)
Wenn eine ursprünglich praktizierte Weigerungshandlung (z. B. die Ablehnung der Abzeichnung des Antrags auf eine Duldung gemäß § 60a AufenthG) im weiteren Verlauf des Verfahrens aufgegeben wurde, kann die zuständige Behörde hier nicht länger auf eine Anspruchseinschränkung nach § 1a Abs. 2 Satz 1 AsylbLG erkennen.
Entsprechendes gilt auch, wenn hinreichende Bemühungen des Antragstellers dokumentiert sind, in schwierigen Gesprächen mit einem Vertrauensanwalt, dem Roten Kreuz, Amnesty International und dem UNHCR einen Weg zur Beschaffung von Heimreisdokumenten zu beschreiten, und nicht feststeht, welche Schritte diese Person in diesem Zusammenhang noch unternehmen kann und soll.
Die Gesetzeskraft des Tenors des Urteils des Bundesverfassungsgerichts vom 5. November 2019 (1 BvL 7/16) gemäß § 31 Abs. 2 Satz 2 BVerfGG bezieht sich zunächst nur auf die in dieser Entscheidung aufgegriffenen Bestimmungen des Unterabschnitts 5 („Sanktionen“) des Abschnitts 2 („Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts“) des Kapitels 3 („Leistungen“) des SGB II (§§ 31 ff.).
Die Sanktionierung erfolgt gemäß § 1a AsylbLG („Anspruchseinschränkung“) nicht wegen Pflichtverletzungen im Zusammenhang mit der Eingliederung in Arbeit, sondern zur Durchsetzung ausländerrechtlicher Pflichten. Die Übertragbarkeit der Ausführungen des BVerfG auch auf das AsylbLG ist deshalb als fraglich aufzufassen.
Quelle: Kommentar Dr. Manfred Hammel