Fehlerhafte Zahnbehandlung führt zu cranio-mandibulärer Dysfunktion (CMD). In einem Arzthaftungsprozess hat der 5. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln die beklagte Zahnärztin aus dem Kölner Umland zur Zahlung eines Schmerzensgeldes von 10.000 Euro verurteilt. Die Beklagte muss außerdem die Kosten für die notwendige Anschlussbehandlung erstatten.
Die Klägerin ließ sich von der Beklagten in zwei Behandlungsabschnitten ihre etwa 20 Jahre alte zahnärztliche Versorgung erneuern. Ob es während der Behandlung bereits ausdrückliche Hinweise auf eine cranio-mandibuläre Dysfunktion (CMD) gab, ist zwischen den Parteien streitig. Auf einer Karteikarte der Zahnarztpraxis gab es jedenfalls einen auf das Ende der Behandlung datierten Eintrag „Rezept CMD“.
Die Klägerin macht geltend, dass sie durch die Behandlung einen schiefen Biss bekommen und eine erhebliche akute CMD entwickelt habe. Sie habe bereits während der Behandlung erste Beschwerden entwickelt. Als sie die Beklagte auf den verschlechterten Gesundheitszustand angesprochen habe, habe diese ihr erklärt, sie müsse sich erst einmal „an die neuen Zähne gewöhnen“. Tatsächlich habe die Klägerin wegen der CMD-Erkrankung jahrelang und bis zuletzt unter erheblichen Muskelverspannungen gelitten. Sie habe ständig Schmerzen (Kopf, Ohren, Nacken, Rücken, Kiefergelenke, Gesicht) gehabt und sei in Beruf wie Privatleben stark beeinträchtigt gewesen.
Der 5. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln hat sich ausführlich sachverständig beraten lassen und der Klägerin ein Schmerzensgeld von 10.000 Euro sowie den Ersatz der weiteren Behandlungskosten zugesprochen. Zur Begründung hat er im Wesentlichen ausgeführt, dass die Klägerin gegen fachzahnärztliche Behandlungsstandard verstoßen und eine akute und schwerwiegende CMD bei der Klägerin verursacht habe. Die Beklagte habe den Biss der Klägerin zu niedrig eingestellt. Dadurch seien eine Überlastung der Muskulatur und in der Folge Verspannungen zumindest mitverursacht worden.
Die Beklagte hätte die Problematik jedenfalls gegen Ende der Behandlung erkennen müssen. Sie hätte die Klägerin vor der endgültigen Eingliederung der neuen Versorgung im zweiten Behandlungsabschnitt auf Anzeichen einer beginnenden CMD untersuchen müssen. Mindestens ein CMD-Schnelltest sei zwingend erforderlich gewesen. Der Quicktest sei schon lange etabliert, die Problematik Bestandteil des Staatsexamens und damit allgemeiner Standard.
Wegen dieser Anzeichen kam es nicht darauf an, ob sich die Klägerin schon gegen Ende der Behandlung hilfesuchend an die Beklagte gewandt hat. Der Senat ging allerdings auch hiervon aus. Die Eintragung „Rezept CMD“ auf der Karteikarte sei ein klares Indiz dafür, dass der Beklagten die CMD-Problematik der Klägerin zeitnah bekannt gewesen sei. Die Beklagte hatte vorgetragen, der Eintrag müsse ein Racheakt einer entlassenen Mitarbeiterin sein. Diese müsse heimlich in die Praxis eingedrungen sein und die Eintragung bewusst falsch und in Schädigungsabsicht vorgenommen haben. Das sah der Senat als unglaubwürdig an.
Neben dem Schmerzensgeld von 10.000 Euro hat der Senat der Klägerin den Ersatz der Kosten zugesprochen, die durch die Nachbehandlungen entstanden sind.
Der Senat hat die Revision nicht zugelassen.
Urteil des Oberlandesgerichts Köln vom 08.04.2020 – Az. 5 U 64/16 –
Quelle: Presseservice des Ministeriums der Justiz des Landes Nordrhein-Westfalen