Erfurt/Berlin (DAV). Ist ein Gehweg auch für Radfahrer zugelassen, kommt es oft zu Unfällen. Daher müssen Fahrradfahrer besonders vorsichtig und gegenüber Fußgängern rücksichtsvoll sein. Fußgänger sind auch nicht verpflichtet fortlaufend Umschau nach von hinten sich annähernden Radfahrern zu halten.
Bei einem Unfall haftet (meist) der Radfahrer, erläutert die Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV). Sie verweist auf eine Entscheidung des Amtsgerichts Erfurt vom 19. August 2020 (AZ: 5 C 1402/19).
Der Radfahrer fuhr auf einem Gehweg, der durch das Zusatzschild „Radfahrer frei“ auch für Fahrräder freigegeben war. Es gab keine farblichen oder baulichen Markierungen oder Trennungsvorrichtungen. Der neunjährige Junge verließ in diesem Moment eine Musikschule und betrat den Gehweg, wo es zum Zusammenstoß kam. Der Junge stürzte und musste zwei Tage stationär behandelt werden und erlitt neben Abschürfungen und Hämatomen am Körper ein Schädelhirntrauma ersten Grades. Er brauchte schmerzlindernde Medikamente und musste den Unfall psychisch verarbeiten. Der beklagte Radfahrer stürzte infolge des von ihm eingeleiteten Bremsvorgangs nach vorne über den Fahrradlenker. Er erlitt multiple Prellungen und Schürfwunden. Zudem sei sein Fahrrad beschädigt worden. Während die Klägerseite dem Beklagten zu schnelles und zu nahes Fahren vorwarf, erwiderte der Beklagte, der Kläger sei hinreichend einsichtsfähig, um nicht ohne jede Umsicht aus einem Gebäude auf den Weg zu laufen.
Das Amtsgericht sah die Verantwortung für den Unfall bei dem Radfahrer. Es reduzierte das geltend gemachte Schmerzensgeld von 1.000 Euro um die Hälfte. Radfahrer träfen schon auf einem gemeinsamen Fuß- und Radweg höhere Sorgfaltspflichten als Fußgänger, so das Gericht. Fußgänger dürften den Gehweg in der gesamten Breite nutzen, ohne immer nach hinten Ausschau halten zu müssen. Radfahrende müssten bei unklarer Verkehrslage Schrittgeschwindigkeit fahren und innerhalb einer überschaubaren Strecke zum Stehen kommen können. Auf betagte und unachtsame Fußgänger müsse besondere Rücksicht genommen werden. Auch müssten sie damit rechnen, dass auch aus Eingängen und Ausfahrten Personen oder Fahrzeuge auf den Gehweg gelangen können.
Der Radfahrer sei gemessen an den konkreten Umständen zu schnell (12 bis 14 km/h nach seinen eigenen Angaben) und zu nah an den Grundstücksausgängen entlanggefahren. Das Überschlagen des Fahrrades beim Bremsvorgang spreche ebenfalls für eine zu hohe Geschwindigkeit. Ein Mitverschulden des Kindes sah das Gericht nicht. Das Kind sei nicht gerannt, allenfalls gehopst. Dass es nicht der Kläger war, der den Beklagten umgerannt hat, ergibt sich aus der Fallrichtung des Beklagten, der nach vorne über den Lenker gestürzt sei und nicht etwas seitlich umgestoßen wurde. Als Schmerzensgeld seien 500 Euro angemessen.
Quelle und Information: www.verkehrsrecht.de