In Europa geborene Kinder im Alter von bis zu fünf Jahren (Kleinkinder), die von nigerianischen Eltern abstammen, können nationalen Abschiebungsschutz nicht deshalb beanspruchen, weil sie bei einer Rückkehr der Familie nach Nigeria wegen der Gefahr, an Malaria zu erkranken, mit hoher Wahrscheinlichkeit einer extremen allgemeinen Gefahrenlage ausgesetzt wären.
Dies hat das Oberverwaltungsgericht durch Urteil vom 24. März 2020 entschieden und damit eine für zahlreiche Verfahren entscheidungserhebliche Frage geklärt, die von den Verwaltungsgerichten bislang unterschiedlich beantwortet worden war.
Die im Juni 2017 in Italien geborene Klägerin reiste mit ihrer Mutter 2018 nach Deutschland ein. Den für sie gestellten Asylantrag lehnte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ab und stellte dabei fest, dass Abschiebungsverbote nicht vorlägen. Das Verwaltungsgericht Münster hat der hiergegen erhobenen Klage teilweise stattgegeben und die Bundesrepublik verpflichtet, zugunsten der Klägerin ein Abschiebungsverbot wegen der drohenden Malariagefahr festzustellen. Die Berufung des Bundesamts beim Oberverwaltungsgericht hatte Erfolg.
Zur Begründung hat der 19. Senat im Wesentlichen ausgeführt: Die im maßgeblichen Zeitpunkt der Berufungsentscheidung mehr als zweieinhalbjährige Klägerin habe keinen Anspruch auf Feststellung eines Abschiebungsverbots. Die allgemein drohende Gefahr einer Malaria-Erkrankung sei nicht hinreichend wahrscheinlich. Zwar sei Nigeria ganzjährig und flächendeckend ein Hochrisikogebiet für Erkrankungen an Malaria, die unbehandelt einen schweren bis tödlichen Verlauf nehmen könne.
Kinder bis zu fünf Jahren seien wegen der noch nicht vollständigen Ausbildung ihres Immunsystems besonders gefährdet. Auch verfügten in Europa geborene und aufgewachsene Kinder nicht über eine Teilimmunität, die ansonsten in der Kindheit erworben werde und einen gewissen Schutz gegen einen schweren, gegebenenfalls zum Tode führenden Verlauf der Malaria bewirke.
Dies führe für aus Europa nach Nigeria zurückkehrende Kleinkinder jedoch nicht zur Annahme einer Extremgefahr, die für die Feststellung eines Abschiebungsverbots hier erforderlich sei. Der Senat hat die Gefahr, sich mit Malaria zu infizieren und daran zu sterben oder einen schweren Gesundheitsschaden davonzutragen, auf der Grundlage aktueller Erkenntnisse nach Art, Ausmaß und Intensität bewertet.
Schon die Sterblichkeitsrate von Kleinst- und Kleinkindern weise danach nicht auf eine mit hoher Wahrscheinlichkeit drohende extreme Gefahrenlage. Zudem seien verschiedene risikosenkende Faktoren zu berücksichtigen. So stünden nach Nigeria zurückkehrenden Familien generell Vorsorgemaßnahmen zur Verfügung, wie etwa die Verwendung von imprägnierten Moskitonetzen. Im Alter der Klägerin gehe die Sterblichkeitsrate bei Kleinkindern signifikant zurück. Auch sei es ihrer Mutter zuzumuten, die Klägerin noch in Deutschland gegen verbreitete Infektionskrankheiten impfen zu lassen, sich mit ihr in den urbanen Zentren im Süden Nigerias anzusiedeln und sie durch Vorsorgemaßnahmen vor einer Malariainfektion zu schützen.
Der Senat hat die Revision nicht zugelassen. Dagegen kann die Klägerin Beschwerde einlegen, über die das Bundesverwaltungsgericht entscheidet.
Aktenzeichen: 19 A 4470/19.A (I. Instanz: VG Münster 5 K 1171/19.A)
Quelle: Presseservice des Ministeriums der Justiz des Landes Nordrhein-Westfalen