München/Berlin (DAV). Hält ein Vorgesetzter am Arbeitsplatz die Corona- Schutzmaßnahmen, wie beispielsweise den Sicherheitsabstand, nicht ein, muss der Arbeitgeber Schadensersatz zahlen, wenn dadurch eine Hochzeit platzt. Dies gilt sowohl für eine fahrlässig verursachte Corona-Infektion als auch die Absage der Hochzeit wegen einer Quarantäneanordnung durch das Gesundheitsamt.
Voraussetzung ist ein Verstoß gegen die Arbeitsschutzregelung zur Bekämpfung der Pandemie. Die Arbeitsgemeinschaft Arbeitsrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV) informiert über eine Entscheidung des Landesarbeitsgericht München vom 14. Februar 2022 (AZ: 4 Sa 457/21).
Der Geschäftsführer einer Immobilienfirma war am 10. August 2020 aus einem Urlaub in Italien mit Erkältungssymptomen zurückgekehrt. Am 18. August und am 20. August fuhr er zusammen mit der Klägerin – einer dort angestellten Immobilienwirtin – ohne Mund-Nasen-Schutz in einem PKW zu Eigentümerversammlungen. Auf einer Versammlung nahm er noch Abstand von einem Teilnehmer mit dem Hinweis, er hätte sich erkältet. Am 23. August wurde bei dessen Frau und am 24. August bei dem Geschäftsführer selbst‚ Corona positiv‘ festgestellt.
Das Gesundheitsamt ordnete für die Klägerin eine Quarantäne bis zum 3. September 2020 an. Dies hatte zur Folge, dass die für den 29. August 2020 geplante kirchliche Trauung mit anschließender Hochzeitsfeier der Klägerin mit 99 Gästen nicht stattfinden konnte. Die Feier musste storniert werden. Es entstanden Stornierungskosten für den Veranstaltungsort, den Caterer, die Band, die Sängerin, für Blumen, das Hotel etc. von rund 5000 €. Diese Kosten verlangte die Klägerin von ihrem Arbeitgeber ersetzt zu bekommen. Der Geschäftsführer habe grob gegen die öffentlich-rechtlichen Arbeitsschutzpflichten im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie verstoßen.
Die beklagte Immobilienfirma wandte ein, dass der Geschäftsführer in dem fraglichen Zeitraum noch eine Radtour mit seinen Freunden unternommen und sich keiner angesteckt hätte. Außerdem hätte die Klägerin auf eine getrennte Fahrt bestehen müssen.
Die Klage ist erfolgreich. Die Klägerin erhält die Stornierungskosten als Schadensersatz von ihrem Arbeitgeber.
Das Landesarbeitsgericht führte aus, dass die Beklagte gegenüber ihrer Arbeitnehmerin die Fürsorgepflicht durch den Geschäftsführer verletzt hätte. Er hätte nicht mit ihr zusammen trotz Erkältungssymptomen längere Zeit in einem Auto fahren dürfen. Hier sei der vorgeschriebene Sicherheitsabstand von 1,5 Metern nicht eingehalten worden. Außerdem solle jede Person bei Krankheitssymptomen zu Hause bleiben. Die Missachtung dieser Vorgaben führe zum Schadensersatzanspruch. Wären die vorgegebenen Hygienevorschriften eingehalten worden, hätte es keine Quarantäneanordnung für die Klägerin gegeben. In der Folge hätte auch die geplante Hochzeit samt Feier stattfinden können.
Unbeachtlich sei, dass die Freunde sich bei der Fahrradtour des Geschäftsführers nicht angesteckt hätten. Eine Radausfahrt sei mit ausreichendem Abstand und an der frischen Luft möglich.
Das Gericht hatte auch kein Verständnis für die Behauptung der Beklagten, dass die Klägerin auf ein eine getrennte Anfahrt hätte bestehen müssen. „Es konnte von der Klägerin nicht erwartet werden, dass sie gegenüber ihrem Vorgesetzten verlangt, ein zweites Auto zu nutzen,“ führt das Gericht aus. Ein solches Verhalten sei schwer vorstellbar und von der Mitarbeiterin, auch wenn sie hier ein besonders Interesse an der Einhaltung der Regelung hatte, nicht zu verlangen. Auch könne die Beklagte nicht ins Blaue behaupten, dass der Kläger – trotz Erkältungssymptomen – vor der Feststellung des positiven Ergebnisses, nicht an Corona erkrankt war.
Quelle und Informationen: www.dav-arbeitsrecht.de