Das Amtsgericht hatte den Angeklagten wegen Widerstands gegen Personen, die Vollstreckungsbeamten gleichstehen, in Tatmehrheit mit Beleidigung und falscher Verdächtigung zu einer Gesamtgeldstrafe von 110 Tagessätzen zu je 65 Euro verurteilt. Diese Verurteilung ist mit der Entscheidung des Oberlandesgerichts Hamm rechtskräftig.
Nach den Urteilsfeststellungen des Amtsgerichts kam es am 24. September 2019 in Ibbenbüren zu einem Alleinunfall einer älteren Radfahrerin, bei dem diese sich eine stark blutende Kopfverletzung zuzog. Am Unfallort fanden sich mehrere Ersthelfer, die Polizei, der Angeklagte und sodann der Rettungsdienst ein. Ein Ersthelfer hatte sein Auto auf der Fahrbahn abgestellt, die sodann eintreffende Polizei ihren Streifenwagen schräg gegenüber. Durch die verbleibende Lücke konnte der Verkehr einspurig mit kleineren Rückstaus in beide Fahrtrichtungen hindurchfließen. Der Angeklagte näherte sich der Unfallstelle mit seinem Wagen kurz vor dem ihm mit Blaulicht und Signalhorn entgegenkommenden Rettungswagen.
Obwohl der Angeklagte die mit einer blutenden Kopfverletzung am Boden liegende Radfahrerin und den herannahenden Rettungswagen sah, hielt er neben dem auf der Fahrbahn stehenden Fahrzeug des Ersthelfers an und beschwerte sich über das dort stehende Fahrzeug. Den dadurch für den Rettungswagen versperrten Weg zur Unfallstelle gab er erst nach mehrmaliger Aufforderung durch die Polizeibeamten frei und fuhr ein Stück weiter. Vor dem nunmehr ohne Signalhorn weiterfahrenden Rettungswagen öffnete der Angeklagte seine Fahrertür, so dass der Rettungswagen erneut stoppen musste. Erst auf ein Signal mit dem Martinshorn schloss der Angeklagte die Fahrertür wieder, so dass der Rettungswagen zu der verletzten Frau vorfahren konnte. Insgesamt hatte der Angeklagte damit die Ankunft des Rettungswagens um mindestens eine Minute verzögert.
Nach der Entscheidung des 4. Strafsenats ist das Verhalten des Angeklagten vom Amtsgericht zu Recht als eine dem Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte gleichstehende Straftat nach § 115 Abs. 3 StGB gewertet worden. Danach wird wie wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte bestraft, wer bei Unglücksfällen Hilfeleistende eines Rettungsdienstes durch Gewalt behindert. Gewalt sei dabei auch bei einem Versperren des Weges zum Unfallort anzunehmen, weil die Rettungskräfte hierdurch einem durch das Hindernis körperlich vermittelten Zwang unterliegen. Jedenfalls bei einer stark blutenden Kopfverletzung sei die verursachte Verzögerung von mindestens einer Minute auch ausreichend, um eine Behinderung des Rettungsdienstes anzunehmen.
Auch die weiteren Schuldsprüche wegen einer Beleidigung des Ersthelfers und einer falschen Verdächtigung der Polizeibeamten durch eine wissentlich unzutreffende Strafanzeige hat der Strafsenat bestätigt.
Die Strafzumessung, bei der für die Behinderung des Rettungsdienstes eine Einzelstrafe von 90 Tagessätzen berücksichtigt wurde, hat der Senat im Ergebnis ebenfalls bestätigt. Das Amtsgericht habe – so der Senat – zu Recht maßgeblich darauf abgestellt, dass der Angeklagte die Rettungshandlung durch mehrere Handlungen verzögert hat. Schließlich hat der Strafsenat das verhängte Fahrverbot von vier Monaten trotz der langen Zeitspanne bis zum Urteil (das Verfahren war zunächst eingestellt worden) bestätigt, da der Angeklagte sein Fahrzeug in schwerwiegender Weise im Straßenverkehr missbraucht habe und es des Fahrverbots als zusätzlichem Denkzettel bedürfe.
Vorinstanz: AG Ibbenbüren – Urteil vom 3. September 2021 – 65 Ds – 70 Js 518/20 – 115/20
Für die Entscheidung relevante Vorschriften:
§ 113 StGB: Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte
(1) Wer einem Amtsträger oder Soldaten der Bundeswehr, der zur Vollstreckung von Gesetzen, Rechtsverordnungen, Urteilen, Gerichtsbeschlüssen oder Verfügungen berufen ist, bei der Vornahme einer solchen Diensthandlung mit Gewalt oder durch Drohung mit Gewalt Widerstand leistet, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
[…]
§ 115 StGB: Widerstand gegen oder tätlicher Angriff auf Personen, die Vollstreckungsbeamten gleichstehen
[…]
(3) Nach § 113 wird auch bestraft, wer bei Unglücksfällen, gemeiner Gefahr oder Not Hilfeleistende der Feuerwehr, des Katastrophenschutzes, eines Rettungsdienstes, eines ärztlichen Notdienstes oder einer Notaufnahme durch Gewalt oder durch Drohung mit Gewalt behindert. Nach § 114 wird bestraft, wer die Hilfeleistenden in diesen Situationen tätlich angreift.
§ 44 StGB: Fahrverbot
(1) Wird jemand wegen einer Straftat zu einer Freiheitsstrafe oder einer Geldstrafe verurteilt, so kann ihm das Gericht für die Dauer von einem Monat bis zu sechs Monaten verbieten, im Straßenverkehr Kraftfahrzeuge jeder oder einer bestimmten Art zu führen. […]
§ 46 StGB: Grundsätze der Strafzumessung
[…]
(3) Umstände, die schon Merkmale des gesetzlichen Tatbestandes sind, dürfen nicht berücksichtigt werden.
Quelle: Beschluss vom 10. März 2022 – III-4 RVs 2/22 – Presseservice des Ministeriums der Justiz des Landes Nordrhein-Westfalen