Die Ablehnung eines Antrags auf Befreiung vom Rundfunkbeitrag aufgrund der „Härtefallregelung“ in § 4 Abs. 6 Satz 1 des Rundfunkbeitragsstaatsvertrags verletzt die Antragstellerin in ihrem Grundrecht auf Gleichbehandlung (Art. 3 Absatz 1 GG), wenn die Betroffene nur über ein den sozialrechtlichen Regelsätzen entsprechendes oder diese unterschreitendes Einkommen verfügt und nicht auf Vermögen zurückgreifen kann.
Geklagt hatte eine alleinerziehende Studentin, die ihren Lebensunterhalt aus Mitteln eines Studienkredits und Wohngeld finanzierte und damit über weniger Einkünfte als eine Bezieherin von ALG II verfügte. Die zuständige Landesrundfunkanstalt hatte ihren Antrag abgelehnt. Verwaltungsgericht und Oberverwaltungsgericht bestätigten die Ablehnungsentscheidung. Zur Begründung führten die Fachgerichte aus, eine Befreiung der Studentin als „Härtefall“ scheide aus, weil bei lediglich geringem Einkommen kein „atypischer Sachverhalt“ vorliege, den der Gesetzgeber bei der Ausgestaltung der Befreiungstatbestände versehentlich übergangen habe.
Hierin liegt ein Verstoß gegen den aus Art. 3 Abs. 1 GG hervorgehenden allgemeinen Gleichheitssatz. Art. 1 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 GG gebietet, dass ein nachweislich den sozialrechtlichen Regelleistungen entsprechendes oder sogar noch unterschreitendes Einkommen nicht zur Begleichung von Rundfunkbeiträgen eingesetzt werden muss. Durch die Ablehnung der Befreiung wird die Studentin gegenüber anderen finanziell bedürftigen Personen benachteiligt, denen die Zahlung des Rundfunkbeitrags aus ihren sozialrechtlichen Regelleistungen, die das Existenzminimum schützen sollen, nicht zugemutet wird. Diese Schlechterstellung findet ihre sachliche Rechtfertigung insbesondere auch nicht in der Möglichkeit, aus Gründen der Verwaltungspraktikabilität zu generalisieren, zu typisieren und zu pauschalieren.
BVerfG, Beschluss vom 19.01.2022, 1 BvR 1089/18
Quelle: Rechtsanwalt Helge Hildebrandt bei Sozialberatung Kiel