Mit Beschluss vom 02.04.2024 hat die 1. Kammer des Verwaltungsgerichts Göttingen eine vom Landkreis Göttingen gegen einen kosovarischen Staatsangehörigen verfügte Ausweisung im einstweiligen Rechtsschutzverfahren bestätigt (1 B 327/23).
Der Antragsteller, der im Jahr 1989 in die Bundesrepublik Deutschland eingereist war und erfolglos einen Asylantrag stellte, verbüßte zuletzt eine Haftstrafe von sechs Jahren wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, nachdem er bereits einige Jahre zuvor wegen desselben Delikts zu einer Bewährungsstrafe verurteilt worden war. Im September 2023 wurde der Antragsteller aufgrund einer Entscheidung der insoweit zuständigen Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Göttingen nach § 57 Abs. 1 StGB vorzeitig aus der Haft entlassen. Die Strafvollstreckungskammer stützte ihre Entscheidung auf ein psychiatrisches Gutachten, das für den Antragsteller zu einer positiven Sozialprognose gelangte.
Dem stellte sich der Landkreis Göttingen in seiner Ausweisungsentscheidung entgegen und stufte die Wiederholungsgefahr für die Begehung weiterer Straftaten als hoch ein. Das Prognosegutachten sei in verschiedener Hinsicht fehlerhaft, gehe von straffreien Zeiträumen aus, die es so tatsächlich nicht gegeben habe, unterstelle ein unterstützendes familiäres Umfeld, ohne die zwischenzeitlich erfolgte Trennung von der Ehefrau beachtet zu haben und berücksichtige nicht, dass familiäre Beziehungen den Antragsteller auch sonst nicht von Straftaten abgehalten hätten. Das Verhalten während der Haft finde ebenfalls keine ausreichende Beachtung. Obwohl der Antragsteller Vater von vier inzwischen erwachsenen deutschen Kindern geworden sei, habe er sich nicht in die hiesigen Lebensverhältnisse integriert.
Der hiergegen gerichtete Eilantrag blieb ohne Erfolg. Soweit der Antragsteller unter Verweis auf die Entscheidung der Strafvollstreckungskammer und seine familiären Bindungen argumentierte, von ihm gehe keine Gefährdung der Allgemeinheit mehr aus, folgte das Verwaltungsgericht dieser Einschätzung nicht. Es sei nicht nachvollziehbar, weshalb die Strafvollstreckungskammer meine, die dezidiert negativen Stellungnahmen der Justizvollzugsanstalt seien auf nicht näher belegte Annahmen gestützt. Auf falschen Annahmen basiere vielmehr das eingeholte Prognosegutachten, das die Bagatellisierungstendenzen des Antragstellers unkritisch übernehme und die umfänglichen strafrechtlichen Vorbelastungen, beginnend noch vor Abschluss des Asylverfahrens, außer Acht lasse.
Dass der Antragsteller die letzte zur Aburteilung gelangte Tat kurz nach Erlass einer Freiheitsstrafe begangen habe, die zuvor ebenfalls aufgrund des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge verhängt worden sei, zeige bereits, dass die Wiederholungsgefahr auch weiterhin bestehe. Auf ein schutzwürdiges stabilisierendes familiäres Umfeld könne der Antragsteller sich ebenso wenig berufen wie auf einen aus seiner Sicht begründeten Vertrauensschutz durch die frühere Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis.
Die gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts eingelegte Beschwerde des Antragstellers hat das Nds. Oberverwaltungsgericht in Lüneburg mit Beschluss vom 23.05.2024 zurückgewiesen (13 ME 72/24). Die Verwaltungsgerichte seien zu einer abweichenden Bewertung u.a. dann befugt, wenn die Strafgerichte – wie hier – bedeutsame Umstände des Einzelfalls nicht beachtet hätten und zu einer teilweise (auch) für den Senat nicht ansatzweise nachvollziehbaren Feststellung gelangt seien.
Quelle: Verwaltungsgericht Göttingen