Lebt von zwei Ehepartnern der eine von ALG II und der andere von einer Rente und zusätzlichem Erwerbseinkommen, so ist von den Erwerbseinkommen ein Freibetrag entsprechend § 82 Abs. 3 Satz 1 SGB XII in Höhe von 30 % (höchstens jedoch 50 % der Regelbedarfsstufe 1 von derzeit 449 €) abzusetzen.
In dem vom Gericht entschiedenen Fall lebte der Ehemann von seiner Altersrente und zusätzlichem Erwerbseinkommen aus einer geringfügigen Beschäftigung. Seine etwas jüngere Ehefrau war arbeitslos und bezog ALG II beim Jobcenter Kiel. Das Jobcenter gewährte auf das Erwerbseinkommen des Ehemannes lediglich einen Freibetrag von 30,00 € (die sog. Versicherungspauschale) und rechnete das sog. überschießende Einkommen des Ehemannes – also den Teil seiner Rente und seines Arbeitseinkommens, der über seinen eigenen existenzsicherungsrechtlichen Bedarf hinausgeht – auf den ALG II-Anspruch seiner Ehefrau an.
Rechtswidrig, entschied das Sozialgericht Kiel. Zwar scheide eine Bereinigung des Einkommens der Ehemannes nach den Grundsätzen des SGB II aus, weil dieser aufgrund des Überschreitens der Altersgrenze nach dem SGB II nicht (mehr) „leistungsberechtigt“ im Sinne von § 11b Abs. 2 und 3 SGB II sei. Auch eine Einkommensbereinigung nach den Regeln der Altersgrundsicherung (§ 82 Abs. 3 Satz 1 SGB XII) scheide in direkter Anwendung aus, weil der Ehemann selbst nicht hilfebedürftig sei und deswegen keinen Anspruch auf Altersgrundsicherung habe. Diese vom Gesetzgeber nicht gewollte sog. „planwidrige Regelungslücke“ sei indessen mit dem Gleichbehandlungsgebot des Art. 3 Grundgesetz nicht vereinbar und deswegen durch eine analoge Anwendung der Freibetragsregelung des § 82 Abs. 3 Satz 1 SGB XII zu schließen.
Durch den höheren Freibetrag des Ehemannes – hier waren es rund 100 € – waren bei der Ehefrau 100 € weniger auf ihren ALG II-Anspruch anzurechnen, sie erhielt also 100 € mehr ALG II.
Sozialgericht Kiel, Beschluss vom 02.02.2022, S 43 AS 5/22 ER
Quelle: Rechtsanwalt Helge Hildebrandt bei Sozialberatung Kiel