Ein dreijähriges Kind hat gegen die Stadt Mainz einen Anspruch darauf, ihm ab spätestens 12. August 2019 einen Betreuungsplatz in einer Kindertageseinrichtung zu verschaffen, der unter Inanspruchnahme öffentlicher Verkehrsmittel in nicht mehr als 30 Minuten von seiner Wohnung aus erreichbar ist.
Dies entschied das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz in Koblenz in einem Eilverfahren.
Der in Vollzeit berufstätige Vater meldete am 3. Dezember 2018 sein Kind bei der Stadt Mainz für einen Platz in einer Kindertagesstätte an. Die Mutter des Kindes arbeitet seit 1. Juli 2019 in Teilzeit. Die Stadt Mainz stellte einen Betreuungsplatz in einer Kindertagesstätte in Mainz-Hechtsheim ab dem 1. Oktober 2019 in Aussicht. Den Eilantrag, die Stadt Mainz im Wege einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten, dem Kind einen zumutbaren Betreuungsplatz in einer Kindertageseinrichtung zuzuweisen, lehnte das Verwaltungsgericht Mainz ab. Auf die hiergegen eingelegte Beschwerde des Kindes gab das Oberverwaltungsgericht dem Eilantrag statt und verpflichtete die Stadt zu der beantragten Leistung.
Nach dem rheinland-pfälzischen Kindertagesstättengesetz habe ein Kind ab dem vollendeten zweiten Lebensjahr gegen die Stadt Mainz einen Anspruch auf Verschaffung eines Platzes in einem Kindergarten in zumutbarer Entfernung zu seinem Wohnsitz. Nach dem Sozialgesetzbuch – Achtes Buch – habe ein Kind vom vollendeten dritten Lebensjahr bis zum Schuleintritt Anspruch auf Förderung in einer Tageseinrichtung.
Dieser Anspruch führe zu einer Gewährleistungspflicht, die den Träger der öffentlichen Jugendhilfe unabhängig von der jeweiligen finanziellen Situation der Kommunen zur Bereitstellung eines bedarfsgerechten Angebots an Betreuungsplätzen zwinge. Der Anspruch auf Verschaffung eines Platzes in einer Kindertagesstätte sei auf eine zumutbar erreichbare Tageseinrichtung gerichtet. Er werde nur erfüllt, wenn die Betreuungseinrichtung vom Wohnsitz des Kindes aus in vertretbarer Zeit erreicht werden könne.
Wenngleich bei der Beurteilung der Zumutbarkeit grundsätzlich die Umstände des konkreten Einzelfalles zu berücksichtigen seien, bemesse das Gericht die Zumutbarkeitsgrenze für die Erreichbarkeit des Betreuungsplatzes von der Wohnung des Kindes mit maximal 30 Minuten bei der Beanspruchung von öffentlichen Verkehrsmitteln. Die Anfahrtszeit zu der von der Stadt Mainz ab dem 1. Oktober 2019 in Aussicht gestellten Kindertagesstätte in Mainz-Hechtsheim betrage rund 40 Minuten. Unabhängig davon sei es dem Kind aufgrund der Berufstätigkeit seiner Eltern jedenfalls unzumutbar, bis zum 1. Oktober 2019 zuzuwarten.
Quelle: Beschluss vom 15. Juli 2019, Aktenzeichen: 7 B 10851/19.OVG