Mit zwei Beschlüssen vom 4. und 5. März 2021 hat die 3. Kammer des Verwaltungsgerichts Osnabrück die Anträge zweier Antragsteller, die im Wege der einstweiligen Anordnung eine unverzügliche Impfung gegen das Coronavirus erreichen wollten, abgelehnt.
Ein Antragsteller (Az. 3 B 4/21) ist 70 Jahre alt, schwerbehindert und krebskrank und muss sich seinen Angaben zufolge zeitnah einer Operation unterziehen, um eine Metastasierung zu vermeiden. Eine Antragstellerin (Az. 3 B 6/21) ist 74 Jahre alt, leidet ebenfalls an einer Krebserkrankung und soll kurzfristig eine Chemotherapie beginnen. Nach der aktuell geltenden Verordnung zum Anspruch auf Schutzimpfung gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 (Coronavirus-Impfverordnung – CoronaImpfV) in der Fassung vom 8. Februar 2021 fallen beide trotz ihrer Vorerkrankungen nicht in die Personengruppe, die mit höchster Priorität einen Anspruch auf eine Schutzimpfung hat (§ 2 CoronaImpfV), sondern in die zweite Gruppe, d.h. in die Gruppe der Personen mit hoher Priorität (§ 3 CoronaImpfV). Sie machen geltend, sie seien jeweils als Härtefall prioritär zu impfen.
Zur Begründung der ablehnenden Entscheidungen führte die Kammer aus, sie halte die Corona-Impfverordnung zwar wegen eines Verstoßes gegen den so genannten Parlamentsvorbehalt für verfassungswidrig und damit nichtig. Nicht der Verordnungsgeber als Exekutive, sondern der parlamentarische Gesetzgeber hätte die Verteilung der Impfstoffe aufgrund des damit verbundenen Eingriffs in die Grundrechte der Bevölkerung durch ein Gesetz regeln müssen.
Die Antragsteller hätten jedoch gleichwohl keinen Anspruch auf eine unverzügliche Impfung und Einstufung in die Gruppe der mit höchster Priorität zu Impfenden. Der Verordnungsgeber habe die Verteilung des nur begrenzt verfügbaren Impfstoffes unter Beachtung verfassungsrechtlicher Grundsätze zu organisieren. Die von den Antragstellern geltend gemachten Grundrechte aus Artikel 2 Absatz 2 (Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit) und aus Artikel 3 Absatz 1 (Gleichbehandlungsgrundsatz) des Grundgesetzes seien nicht verletzt und vermittelten keinen Anspruch auf die begehrte Priorisierung. Unabhängig von der Wirksamkeit der Verordnung bestünden nämlich gegen die darin getroffene Priorisierungsentscheidung keine rechtlichen Bedenken. Härtefälle würden durch eine Ausweitung der zweiten und dritten Gruppe (hohe Priorität und erhöhte Priorität) erfasst.
Beide Gruppen seien durch eine Regelung für nicht ausdrücklich genannte medizinischer Härtefälle, bei denen ein erhöhtes, hohes oder sehr hohes Risiko für einen schweren oder tödlichen Krankheitsverlauf nach einer Infektion mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 bestehe, erweitert worden. Eine Priorisierung als Härtefall in die erste Gruppe (höchste Priorität) sehe die Verordnung zwar nicht vor. Verfassungsrechtliche Schutzpflichten würden dadurch aber auch unter Berücksichtigung der Krebserkrankungen der Antragsteller nicht verletzt, zumal sie jeweils in die Gruppe mit hoher Priorität (zweite Gruppe) fielen. Die vorgenommene Einordnung bestimmter Personengruppen in die höchste Prioritätsstufe sei durch Sachgründe gerechtfertigt.
Sie stehe im Einklang mit der Empfehlung der Ständigen Impfkommission am Robert Koch-Institut (STIKO), die auch berücksichtige, dass für die Altersgruppe ab 65 Jahren derzeit nur zwei Impfstoffe (BioNtech/Pfizer und Moderna) empfohlen würden, die zudem nur begrenzt verfügbar seien. Es stelle auch keine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung dar, dass Pflegekräfte in Alten- und Pflegeheimen unabhängig von Alter und etwaigen Vorerkrankungen in die höchste Prioritätsstufe fielen. Bei diesen gehe es nicht um deren individuellen Gesundheitsschutz, sondern vielmehr darum, die Funktionsfähigkeit des medizinischen Versorgungssystems zu erhalten und (mittelbar) die Bewohner und Patienten zu schützen. Die vorrangige Impfung von über Achtzigjährigen sei gerechtfertigt, weil nach bisherigen Erkenntnissen zu dem Verlauf einer Covid-19-Erkrankung das zunehmende Alter der entscheidende Risikofaktor für einen schweren bis tödlichen Verlauf der Erkrankung sei.
Die Beschlüsse sind noch nicht rechtkräftig und können jeweils binnen zwei Wochen nach Zustellung mit der Beschwerde vor dem Nds. Oberverwaltungsgericht angefochten werden.
Quelle: Verwaltungsgericht Osnabrück