Schließt eine Bürgergeldbezieherin einen Mietvertrag über eine Wohnung, die sie schon zuvor als Mitbewohnerin einer Wohngemeinschaft (WG) bewohnt hat, benötigt sie vor Abschluss dieses Mietvertrags weder die Zusicherung der Kostenübernahme durch das Jobcenter noch kann das Jobcenter die Leistungen auf die Kosten ihres bisherigen WG-Zimmers deckeln.
Das Jobcenter muss vielmehr auch zu hohe Mietkosten jedenfalls für einen gewissen Zeitraum übernehmen.
Die Bürgergeldbezieherin hat bis zum 28.02.2023 ein WG-Zimmer in einer 57,45 m2 großen Wohnung zusammen mit einem Mitbewohner bewohnt. Beiden waren Hauptmieter. Der Mitbewohner erklärte, zum 28.02.2023 ausziehen zu wollen. Aus diesem Grund schloss die Bürgergeldbezieherin zum 01.03.2023 einen Mietvertrag über die gesamte Wohnung ab. Das Jobcenter Kiel erkannte daraufhin ab dem 01.03.2023 nur noch Unterkunftskosten in Höhe der Mietobergrenze für einen Einpersonenhaushalt von gegenwärtig 397,00 € bruttokalt an. Zur Begründung führte es aus, die Bürgergeldbezieherin habe die Wohnung ohne die erforderliche Kostenzusicherung des Jobcenters gemäß § 22 Abs. 4 Satz 1 SGB II angemietet. Die Bürgergeldbezieherin sei auch in eine neue Wohnung umgezogen, denn sie habe einen Raum dazu erhalten, in dem vorher ihr Mitbewohner gewohnt habe.
Das Sozialgericht Kiel verpflichtete das Jobcenter Kiel, die vollen Mietkosten zu übernehmen. Denn die Bürgergeldbezieherin sei nicht „umgezogen“. Dies setze eine räumliche Veränderung voraus, die hier gerade nicht vorgelegen habe. Es sei auch kein Mietvertrag über eine „neue Unterkunft“ abgeschlossen worden, denn die Möglichkeit zur Nutzung eines weiteren Raumes mache die Wohnung nicht zu einer neuen Unterkunft. Auch eine Deckelung auf die bisherigen Kosten des WG-Zimmers nach § 22 Abs. 1 Satz 6 SGB II komme mangels Umzugs nicht in Betracht, wobei auch eine analoge Anwendung dieser Vorschrift ausscheide.
SG Kiel, Beschluss vom 24.03.2023, S 39 AS 9/23 ER
Quelle: Rechtsanwalt Helge Hildebrandt bei Sozialberatung Kiel