Keine höhere Sozialplanabfindung für Gewerkschaftsmitglieder

6. Juli 2022

Die Klägerin war seit dem 03.04.2000 bei der Beklagten, einer Servicegesellschaft aus dem Bereich der Luftfahrt, beschäftigt. Im Zuge der zweiten größeren Personalanpassungsmaßnahme wurde ihr Arbeitsverhältnis betriebsbedingt zum 30.06.2020 gekündigt.

Bereits im Jahre 2017 hatte die Beklagte einen Personalabbau durchgeführt. Nach dem seinerzeit vereinbarten Sozialplan vom 06.12.2017 berechnete sich die Abfindung für die gekündigten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer wie folgt: „Betriebszugehörigkeit x Monatsbrutto x 0,9“. Außerdem war – mündlich – vereinbart worden, dass Mitglieder der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) einen erhöhten Abfindungsfaktor von 1,0 erhalten, wenn sie keine Kündigungsschutzklage erheben.

Im Rahmen der zweiten Personalanpassung im Jahre 2019 hat die Beklagte mit ihrem Betriebsrat im Interessenausgleich vom 10.12.2019 vereinbart, dass der bereits bestehende Sozialplan vom 06.12.2017 auch hierfür Anwendung findet. Auf der Grundlage einer weiter abgeschlossenen Betriebsvereinbarung zur Kündigungsabwicklung sollten die Beschäftigten zusätzlich zur Sozialplanabfindung 5.000,00 Euro erhalten, wenn sie keine Kündigungsschutzklage erheben.

Nach Auszahlung der Abfindung auf der Basis eines Abfindungsfaktors von 0,9 verlangt die Klägerin mit ihrer Klage einen um den Faktor 0,1 erhöhten Abfindungsbetrag. Sie behauptet, sie sei Mitglied der Gewerkschaft NGG. Der Geschäftsführer der Beklagten habe im Rahmen einer Betriebsratssitzung am 18.09.2019 zugesagt, dass die Gewerkschaftsmitglieder wie im Jahre 2017 einen erhöhten Abfindungsbetrag erhalten würden. Am 23.09.2019 habe zudem die Geschäftsführerin der NGG die Belegschaft auf einer Betriebsversammlung über diese Vereinbarung informiert und der anwesende Geschäftsführer der Beklagten habe dazu geschwiegen. Die Beklagte bestreitet mit Nachdruck eine höhere Sozialplanabfindung für Gewerkschaftsmitglieder zugesagt zu haben.

Die 1. Kammer des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf hat ebenso wie das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen. Die Gewerkschaftsmitglieder haben selbst auf der Grundlage des Vortrags der Klägerin keinen Anspruch auf eine um den Faktor 0,1 erhöhte Sozialplanabfindung. Etwaige Erklärungen der Arbeitgeberin in der Betriebsratssitzung vom 18.09.2019 haben sich allenfalls an den Betriebsrat gerichtet. Mangels Einhaltung der für Betriebsvereinbarungen erforderlichen Schriftform (§ 77 Abs. 2 Satz 1, Abs. 4 Satz 1 BetrVG) kann die von der Beklagten bestrittene Zusage zu keinen Rechtsansprüchen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer führen. In der Äußerung der Geschäftsführerin der NGG auf der Betriebsversammlung liegt keine die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer begünstigende Gesamtzusage.

Eine Gesamtzusage ist die an alle Beschäftigten des Betriebs oder einen bestimm-ten Teil von ihnen gerichtete ausdrückliche Erklärung des Arbeitgebers, bestimmte Leistungen erbringen zu wollen. Daran fehlt es. Der Geschäftsführer der Beklagten hat zu dem entscheidenden Punkt geschwiegen. Darin liegt keine Willenserklärung. Es ist nicht erkennbar, dass die Geschäftsführerin der NGG als Vertreterin der Beklagten aufgetreten ist und rechtsverbindliche Erklärungen für sie abgegeben hat. Sie hat in der Betriebsversammlung nur eigene Erklärungen abgegeben, aber nicht im Namen der Beklagten gehandelt. Auch die Voraussetzungen einer Vollmacht sind nicht gegeben.

Das Landesarbeitsgericht hat in sieben weiteren verbundenen Sachen die Klagen abgewiesen. Die Revision ist nicht zugelassen.

– Landesarbeitsgericht Düsseldorf, Urteil vom 29.06.2022 – 1 Sa 991/21
– Arbeitsgericht Düsseldorf, Urteil vom 30.09.2021 – 10 Ca 2167/21; u.a.

Quelle: Presseservice des Ministeriums der Justiz des Landes Nordrhein-Westfalen


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