Hamburg/Berlin (DAV). Unter welchen Voraussetzungen eine ärztliche Fernbehandlung möglich ist, entschied das Oberlandesgericht Hamburg am 5. November 2020 (AZ: 5 U 175/19). Grundsätzlich ist eine Beratung unter Einsatz von Kommunikationsmedien möglich. Dies muss ärztlich vertretbar sein, und die ärztliche Sorgfalt muss eingehalten werden.
Der Arzt muss auch im konkreten Einzelfall prüfen, ob eine Behandlung über diesen Kommunikationsweg vertretbar ist. Das Gericht untersagte mit diesen Argumenten einen reinen Online-Dienst für Krankschreibung bei Erkältungen durch einen „Tele Arzt“. Es kam dort im Regelfall nicht zu einem persönlichen Kontakt, erläutere die Arbeitsgemeinschaft Medizinrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV).
Bei dem Dienst konnte man bei einer Erkältung eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung erhalten. Man musste über eine Onlineplattform verschiedene vorformulierte Fragen beantworten. Kam das System zu dem Schluss, dass keine Krankschreibung möglich ist, konnte man das Ganze noch mal durchlaufen. Dann sollten die Antworten online durch einen „Tele-Arzt“ überprüft werden. Die Krankschreibung erfolgte dann per WhatsApp und per Post. Das Ganze kostete neun Euro, unabhängig vom Erfolgsfall. Der Betrag wurde nicht von der Krankenkasse ersetzt.
Das Gericht sah darin ein unlauteres Angebot und untersagte diesen Dienst. Es lag eine unzulässige Form der Fernbehandlung vor. Die Erkennung und Behandlung von Erkältungskrankheiten würden nicht aufgrund eigener Wahrnehmung durch einen Behandler erfolgen. Im Regelfall käme es zu keinem Zeitpunkt zu einem unmittelbaren Kontakt zwischen dem Patienten und einem Arzt. Zwar sei die Behandlung und Beratung unter Einsatz von Kommunikationsmedien grundsätzlich möglich. Allerdings müsse ein Arzt im Einzelfall prüfen, ob dies in diesem Fall auch geeignet sei. Die Anamnese beruhe ausschließlich auf den Antworten des Patienten auf die vorformulierten Fragen. Eine Abwägung im Einzelfall könne auf diese Weise nicht stattfinden.
Medizinische Fernbehandlung seien grundsätzlich möglich, wie etwa über eine Videosprechstunde oder aber – wie während der COVID-19-Pandemie häufig – auch per telefonischer Anamnese. Da hier aber keine Einzelfallprüfung vorgenommen wurde, untersagte das Gericht den Dienst.
Quelle und Informationen: www.dav-medizinrecht.de