LSG kippt Prognosepraxis bei Mindestmengen-OPs

17. Juli 2020

Um komplexe Operationen durchführen zu dürfen, müssen die Krankenhäuser aus Qualitätsgründen bestimmte Mindestmengen leisten. Um diese Eingriffe auch zukünftig abrechnen zu dürfen, erstellen die Krankenhäuser zur Jahresmitte zunächst eine Prognose, die in einem zweiten Schritt von den Krankenkassen widerlegt werden kann. In diese Praxis hat das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen (LSG) korrigierend eingegriffen.

Im zugrundeliegenden Fall wollte ein Wolfsburger Krankenhaus auch 2020 komplexe Operationen an der Speiseröhre anbieten. Hierfür prognostizierte es im Juli 2019 das Erreichen der Mindestmenge von 10 OPs im Folgejahr. Grundlage waren die Vorjahreszahlen mit genau 10 Eingriffen, sowie geplante OPs im laufenden Jahr. Die Krankenkassen bezweifelten diese Prognose. Nach ihrer Ansicht käme es auf die aktuelle Leistungsmenge der letzten vier Quartale (Q3/18 – Q2/19) an, wonach die Mindestmenge nicht erreicht werde. Auf die Vorjahreszahlen oder eine pauschale Mitteilung geplanter Fälle sei nicht entscheidend abzustellen. Dies sei bloße Erwartungshaltung.

Das LSG hat die Rechtswidrigkeit des Widerlegungsbescheides der Krankenkassen festgestellt, da das Krankenhaus seine Prognose auf fehlerfreie Grundlage gestützt hat. Zur Begründung hat das Gericht ausgeführt, dass die Krankenkassen schon den Wortlaut der Mindestmengenregelungen missachtet hätten. Bei dem „vorangegangenen Kalenderjahr“ handele es sich zweifelsohne nicht um die letzten vier Quartale. Die Regelvermutung könne nicht mit dem Argument konterkariert werden, dass die Vorjahreszahlen in einem anderen Zeitraum nicht erreicht würden.

Die Sichtweise der Krankenkassen würde die Mindestmengenregelung ins Gegenteil verkehren. Denn durch die Betrachtung des Quartalszeitraums solle vielmehr den Krankenhäusern die Möglichkeit gegeben werden, auch bei Unterschreitung der Mindestmenge im Vorjahr eine positive Prognose abzugeben sofern die neueren Zahlen in diese Richtung zeigten. Auch konkret geplante OPs könnten einbezogen werden; dies sei das Wesen einer in die Zukunft blickenden Prognose.

„Die Zentralisierung komplexer Leistungen ist im System angelegt“, erläutert Pressesprecher Carsten Kreschel „die bisherige Praxis schießt aber deutlich über das Ziel hinaus.“

Quelle: Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 16. Juni 2020 – L 16 KR 64/20


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