München/Berlin (DAV). Manchmal ist die Räumung einer Wohnung mit mehr verbunden als den üblichen Umständen, wie neuer Anschrift, Umzugskosten und einer neuen Nachbarschaft. Bei manchen Menschen stellt der Verlust der Wohnung das Ende einer Abwärtsspirale dar, die mit finanziellen, persönlichen und vielleicht auch gesundheitlichen Problemen einhergeht.
Manchmal droht mit dem Verlust der Wohnung auch die Obdachlosigkeit. In einem solchen Fall kann es dazu kommen, dass der Mieter vorträgt, er sei suizidgefährdet. Bevor er die Wohnung verlassen werde, werde er sich lieber umbringen. Für Richter und auch die weiteren Beteiligten, insbesondere die Gerichtsvollzieher, die die Räumung vor Ort tatsächlich umsetzten müssen, erhöht sich in einem solchen Fall der Druck, keiner will an einer möglichen Tragödie „Schuld“ sein. Mit diesem Problem musste sich auch das Landgericht München in seiner Entscheidung vom 13. Februar 2019 (AZ.: 14 T 16334/18) befassen, auf die die Arbeitsgemeinschaft Mietrecht und Immobilien vom Deutschen Anwaltverein (DAV) hinweist.
Das Gericht hatte hier neben der oben geschilderten Problematik eine weitere Schwierigkeit zu berücksichtigen. Denn neben der 77-jährigen Mieterin, die offensichtlich unter Depressionen litt und in einer stark verwahrlosten Wohnung lebte, hatte die Dauer und Belastung des gerichtlichen Verfahrens auch bei dem Vermieter zwischenzeitlich Spuren hinterlassen. Auch er war über das Verfahren depressiv geworden und „spielte“ mit Suizidgedanken. Auch den Vermieter stellte das Mietverhältnis vor erhebliche Probleme.
In diesem Fall war die Wohnung fremdfinanziert, die zwischenzeitlich von der Bank geltend machten Strafzinsen würden bei ihm zu einer wirtschaftlichen Existenzgefährdung führen. Diese wirtschaftlich bedrohliche Situation habe dazu geführt, dass auch er, der Vermieter, in Depressionen verfallen sei, die in regelmäßigen Abständen zur Arbeitsunfähigkeit führen würden.
Das Gericht entschied hier dennoch zu Gunsten der Mieterin und stellte das Räumungsverfahren sogar unbefristet ein. Aufgrund der ärztlichen Stellungsnahmen sei von einem so schlechten Gesundheitszustand der Mieterin auszugehen, dass die konkrete Gefahr einer Selbsttötung anzunehmen sei; diese sei auch – zumindest nach den ärztlichen Aussagen – nicht abwendbar, so dass nur eine unbefristete Einstellung in Betracht komme.
Für den Vermieter war damit ein Ende des Mietverhältnisses nicht greifbar. Ausschlaggebend für die Entscheidung zugunsten der Mieterin sei, dass diese in der Wohnung lebt, während der Vermieter „nur“ finanzielle Einbußen zu beklagten habe. Es sei gerichtbekannt, dass in München jede Wohnung letztlich verkauft werden könne, so dass dem Vermieter hier ein finanzieller Verlust unter Abwägung der Gesamtumstände zuzumuten sei.
Quelle und Informationen: www.mietrecht.net – Arbeitsgemeinschaft Mietrecht und Immobilien des Deutschen Anwaltvereins (DAV)